OBJEKTE


Zeit für das Unzeitgemäße

Saul LeiterThrough boards

Etwas Irrationales zu tun, gehört gemeinhin nicht zu dem, wofür man gelobt oder gefeiert wird. Insbesondere in einer Welt, die mehr und mehr vermessen wird, in der alles gemessen wird, die optimiert wird. In der Charakter und Eigensinnigkeit der Kundenorientierung und der quantitativen Steigerung der ´Likes` weicht. Optimierung, und eo ipso: Ratio, sind die Gebote der Stunde.

Da fragt man sich, wieviel Kunst in dieser Welt hervorgebracht worden wäre, wenn diese Logik auch in der Kunst herrschen würde (sehen wir jetzt einmal von der markt-getriebenen Kunstszene ab, das ist eben eher Markt als Kunst). Und diese Frage gilt umso mehr bei wirklich großer Kunst – und den entsprechenden Künstlern. Eher unvorstellbar, dass Mark Rothko oder Pablo Picasso erst einmal eine Marktforschung angestellt haben, um herauszufinden, was sie als nächstes malen.

Bei Saul Leiter weiß man, dass er es nicht getan hat. Im Gegenteil. Er hat gemacht, worauf er Lust hatte, Punkt. 1946 kam er nach mit dem Plan nach New York, Maler zu werden. Und begann irgendwann, mit der von seiner Mutter geschenkten Kamera zu malen. Abstrakte Farbflächen zu fotografieren. In einer Zeit als die Fotografie auf Gegenständliches fokussiert war. Punkt.

Und weil er mit abgelaufenen Diafilmen fotografierte (von denen man seinerzeit noch keine Abzüge machte), sah niemand diese Fotos, ausgenommen er und seine Freunde bei der einen oder anderen Flasche Wein bei den regelmäßigen Dia-Abenden. Er tat es aus Freude und Erbauung. Punkt.

Bis Ende der 1980er einer der renommiertesten New Yorker Galeristen (Howard Greenberg) auf diese Arbeiten aufmerksam wurde. Und damit virulent wurde, dass die Kunstgeschichte neu zu schreiben war, weil man bis dahin die Entstehung der Farbfotografie als Kunstmedium auf Ende der 1970er verortete.  Die ersten Farb-Arbeiten von Saul datieren auf 1948.

Was können wir hieraus lernen? Hören wir endlich auf, auf Sicherheit zu spielen, alles zu optimieren, im Klein-klein zu verharren, alles zu Tode anzupassen! Ja, das ist rational, bestimmt auch smart. Neues, Großes, Begeisterndes – wird es ganz sicher nicht hervorbringen! Und ist es nicht das, was wir benötigen?

Also: Schauen Sie / schaut vorbei, auf eine Flasche Wein, einen Tee, auf ein gutes Gespräch im Angesicht der Werke von Saul Leiter – und das gemeinsame Streben, wahrhaft Neues zu kreieren!